Der Bogen und der Bogenschütze
Der Bogen war bereits seit der Antike bekannt
und im Mittelalter weit verbreitet. Der Bogen war eine schwierige
Waffe, da man einiges an Kraft benötigte, um die 60-120
Pfund (ca. 20-60 Kilo) Zuggewicht der Sehne zu ziehen und dies
bis zu 12 mal in der Minute. Außerdem konnte man nicht
lange zielen, da es zu anstrengend war, die Sehne länger
als ein paar Sekunden gespannt zu halten. Ein von einem Bogen
geschossener Pfeil hat eine größere Durchschlagskraft
als ein heute übliches Sturmgewehr. So kann ein Pfeil ohne
Mühe ein Kettenhemd durchschlagen und stellt damit eine
große Gefahr für die gepanzerten Ritter dar.
Der
Bogenschütze hatte neben seinen Bogen meist noch eine leichte
Bewaffnung, wie ein kurzes Schwert oder einen Langdolch. Er
war leicht gerüstet (wattierte Waffenröcke, leichte
Kettenhemden, Helme mit offenem Gesichtsfeld), da er sich eigentlich
nicht an Nahkämpfen beteiligte. Zum Schutz vor Reiterangriffen
führten die Bogenschützen lange, angespitzte Holzspieße
mit sich, die sie vor sich in den Boden rammten und damit eine
Barriere gegen Pferde bildeten. Zu den einzelnen Bogenarten
siehe unsere Bogenseiten (Link)
Die englischen Bogenschützen erlangten Weltruhm
mit ihren Siegen im 100jährigen Krieg gegen Frankreich
(1337-1453) . In England wurden aufgrund der durchschlagenden
Wirkung eigene Bogenkompanien aufgestellt und das Bogentraining
in der Bevölkerung sehr gefördert (man erinnere sich
an die Bogenturniere aus den Geschichten um Robin Hood). So
verfügte England über sehr gut ausgebildete und trainierte
Bogenschützen.
Behauptungen,
es hätte bei den anderen Europäischen Armeen keine
Bogenschützen gegeben, sind schlichtweg falsch. In den
Armeen Frankreichs, Italiens und Deutschlands gab es meist weit
mehr Bogenschützen als Armbrustschützen. Die Franzosen
entwickelten sogar einen Langbogen, der eine größere
Durchschlagskraft und größere Reichweite als der
englische hatte. Jedoch waren in England die Bogenschützen
sehr gut ausgebildet und damit eine effektive militärische
Einheit.
In den anderen Ländern wurde der Bogen aber
als unehrenhaft betrachtet und von der Ritterschaft - die die
militärische Führung innehatte - abgelehnt. Der Bogen
war billig in der Herstellung und der Bogenschütze benötigte
wenig Rüstung. Daher fand der Bogen meist nur bei den billigen,
unausgebildeten Truppen Verwendung und diese konnten daher auch
nicht die Schlagkraft der ausgebildeten englischen Bogenschützen
erreichen.
Taktiken:
Gezielter
Schuss: Ein gezielter Schuss direkt auf ein Ziel. Man benötigt
einiges an Können, um einen Treffer zu erzielen. Er wurde
nur auf nahe Ziele verwendet oder um Ziele hinter Deckung (Belagerung)
treffen zu können.
Plänkel: Einer oder mehrer Bogenschützen
näherten sich vor den eigenen Schlachtreihen dem Feind
und schossen mehrere ungezielte Schüsse in die Reihen des
Feindes. Sie zogen sich zurück, bevor sie selber in Gefahr
gerieten. Dies sollte den Feind verwirren (psychologische Wirkung),
aufhalten und seine Schlachtreihen aufbrechen.
Bogenschuss:
Die klassische Einsatzweise der englischen Bogenschützen.
Eine große Zahl von Bogenschützen schießt innerhalb
von kurzer Zeit mehrere Salven in einem Bogen auf die feindlichen
Reihen. Diese Art des Schusses nennt man auch das "Maschinengewehr
des Mittelalters". Ein geübter englischer Bogenschütze
konnte so in einer Minute ca. 12 Pfeile verschießen. In
der Schlacht von Crecy (1346) schlug ein englisches Heer mit
6000 Bogenschützen ein französisches Heer mit ca.
25 000 Rittern. Man stelle sich 6000 Bogenschützen vor,
die gleichzeitig innerhalb einer Minute je 12 Pfeile verschießen.
72 000 Pfeile, die innerhalb einer Minute auf den Gegner nieder
regnen. Chronisten beschrieben den nervenden Ton der fliegenden
Pfeile und wie sich der Himmel durch den Pfeilhagel verdunkelte.
Diese Taktik war nicht nur sehr wirksam, sondern hatte auch
eine verheerende psychologische Wirkung.
Deckungsschuss:
Ähnlich dem Bogenschuss wurde diese Taktik bei Belagerungen
von den Angreifern eingesetzt. Eine große Zahl von Bogenschützen
schoss auf die Belagerten, um sie in Deckung zu zwingen. Unter
dem Schutz des Pfeilhagels konnten sich Kämpfer mit Belagerungsgerät
der Mauer nähern.
Schuss vom Pferd: Diese Art des Schusses wurde meist nur von
den osteuropäischen Reitervölkern genutzt. Sie ritten
frontal auf die Gegner zu und schossen einen Pfeil, schwenkten
seitwärts zum Gegner und schossen nochmals und drehten
dann um und gaben einen letzten Schuß im Rückwärtsreiten
ab. Die berittenen Bogenschützen der west- und mitteleuropäischen
Heere hatten den Vorteil, schnell die Positionen wechseln zu
können, aber zum Schuss selbst stiegen sie meist ab, ließen
die Pferde zurück und verwendeten die oben beschriebenen
Taktiken.
- Andy